Gehasst, Verdammt, Vergöttert (Metal Heart, März 2000)

von Andi Bauer

Auch zwanzig Jahre nach der Bandgründung polarisiert diese Band die Metal- und Rockszene. Die einen wünschen der Band die Pest an den Hals, oder ignorieren sie völlig, während die anderen jede Note, jede Textzeile abfeiern und sich einen Scheiß um die Kommentare der Onkelz-Hasser kümmern (frei nach dem Motto "Deutschland kotzt und uns gefällt´s") Streit hin, Streit her, die Onkelz sind seit Jahren ein fester Bestandteil der deutschen Musikszene, und da die (Ex-) Frankfurter zur Zeit mit der Fertigstellung ihres neuen Albums beschäftigt sind (Veröffentlichung 20.3.00), bot es sich an, Mastermind und Bassist Stephan Weidner einige Fragen zu stellen:

Metal-Heart: Dass ihr nun in Dublin wohnt, dürfte den meisten bekannt sein. Die Gründe dafür allerdings nicht. Warum genau seid ihr weggezogen, und warum ausgerechnet nach Dublin, und nicht nach Timbuktu, oder so ?

Stephan: Das hat mehrere Gründe. Deutschland war uns schon seit langer Zeit irgendwie zu klein, deshalb waren wir auch alle insgesamt ziemlich oft auf Reisen. Irgendwann kamen wir dann zu dem Punkt, an dem wir uns sagten : "Okay, lass uns mal frische Luft atmen". Wir haben Dublin als unser neues Zuhause ausgewählt, weil es nur zwei Flugstunden von Frankfurt aus entfernt ist. Wir können uns so weiter um die Geschäfte kümmern beziehungsweise auch unser Tonstudio besuchen, was bei einem weit entfernten Land nicht möglich ist. Wenn du zwölf oder dreizehn Stunden im Flieger hocken musst, um nach Frankfurt zu kommen, dann überlegt du dir auch dreimal, ob du herkommst. Zweitens entspricht Irland auch irgendwie unserem Gemüt zur Zeit, deswegen haben wir uns das Land ausgesucht.

Metal-Heart: Inwiefern wirkt sich dieser Ortswechsel denn auf eure Musik und euer Lebensgefühl aus, dem letztendlich ja auch die Texte entspringen ?

Stephan: Nun ja, jede Veränderung wirkt sich in irgendeiner Form auf dich aus, denke ich. Aber ich glaube tatsächlich, dass sich diese Melancholie, die in Irland schon aufgrund des Wetters und des tief hängenden Himmels vorherrscht, etwas Besonderes hat. Ich kann logischerweise nur für mich sprechen, aber meinem Naturell tut Irland gut. Die Texte zum neuen Album sind auch fast alle in Irland entstanden, und ich bin mit ihnen sehr zufrieden; und ob ich es gespürt habe oder nicht - ich denke schon, dass sich dieser Ortswechsel auf die Texte ausgewirkt hat, Sie sind sehr bodenständig und haben trotzdem die nötige Tiefe.

Metal-Heart: Schmeckt das irische Bier wenigstens besser als Heinninger Export ?

Stephan: (lacht) Nee, auf keinen Fall. Wenn´s nach dem Bier ginge, müssten wir in Deutschland bleiben...

Metal-Heart: Vielleicht ein paar Worte zur neuen Single "Dunkler Ort" und dem dazu gehörigen CD-Rom-Video. Habt ihr euch schwer oder leicht getan, dieses Video zu drehen ? Es ist ja doch etwas Neues für euch.

Stephan: Eigentlich fiel es und überraschend leicht. In dem Moment, indem wir den Entschluss fassten, ein Video zu drehen, war uns bereit klar, was uns da "abverlangt" wird, und inwieweit wir uns darin selber einbringen würden. Es war niemals geplant, dass wir in diesem Video selber schauspielern würden, wir wollten von uns nur eine Live-Performance im Video haben. Ich finde diese ganze Schauspielerei in den meisten Musikvideos immer extrem peinlich, und das wollten wir uns ersparen. Somit war es letztendlich auch kein Problem, einfach nur zu spielen, das sollten wir nach zwanzig Jahren ja eigentlich können (lacht). Außerdem war es nicht das erste Mal, dass uns eine Kamera in s Gesicht gehalten wurde, von daher ging der gesamte Videodreh sehr locker ab.

Metal-Heart: Die zwei neuen Songs "Dunkler Ort" und "Schutzgeist der Scheiße" sowie die vier angespielten Tracks (alles auf der Single zu finden) klingen allesamt wieder etwas rockiger als zu "Viva los Tioz" - Zeiten, ich finde, dass sie mehr in Richtung "E.I.N.S." gehen. Kann man das für das neue Album verallgemeinern ?

Stephan: Hui, das ist schwer zu beurteilen. E.I.N.S. (sie!) ist klar, jeder Künstler hält seine neueste Platte für die beste überhaupt, und eigentlich steckt man viel zu tief in der Arbeit drin, um das neutral beurteilen zu können. Ich finde, unser neues Album ist tiefgründiger, und wie unsere anderen Platten auch, rockt es gut ab. Textlich geht es auf jeden Fall tiefer als bei "Viva los Tioz", und die Musik sowie die Produktion sind auch noch besser geworden. Den Rest müssen letztendlich die Fans beziehungsweise Käufer entscheiden. Wir als Band zumindest haben alles gegeben, mehr sogar noch, als das bei den leztzten paar Produktionen der Fall war. Ich bin diesmal auch sehr früh mit den Texten fertig geworden, so das wir mehr Zeit hatten, uns um die Musik zu kümmern. Und das hört man, finde ich.

Metal-Heart: Im Mai geht es endlich wieder auf Tour. Dafür habt ihr euch ja die größten und fettesten Hallen ausgesucht, die es in diesem Scheißland gibt. Hast du da einen Favoriten ? Wo spielst du eigentlich am liebsten ?

Stephan: Hmm... wir freuen uns logischerweise auf Frankfurt, und wir freuen uns auch riesig darüber, wieder einmal in Dortmund zu spielen, aber ich kann nicht sagen, dass ich eine Lieblingshalle hätte. Die Westfalenhalle in Dortmund ist aufgrund der Bauart für uns sicherlich am besten geeignet, und Frankfurt ist eben einfach ein Heimspiel und somit wieder ein Killer.

Metal-Heart: Gab es diesmal eigentlich wieder Schwierigkeitenmit irgendwelchen Bürgermeistern, Stadträten oder sonst irgendw....

Stephan: (fällt lachend ins Wort) Vielleicht sollte man doch noch einmal sagen, dass wir seit vielen Jahren endlich wieder einmal in Berlin spielen (02.06. Waldbühne, Open Air - Anm.d.Verf.), und darauf freuen wir uns echt fett.

Metal-Heart: äh... ja, aber gab es diesmal nun wieder Probleme bei der Tourplanung, was die einzelnen Städte angeht ?

Stephan: Na ja, dann wären es nicht mehr die Onkelz, wenn alles reibungslos ablaufen würde. Wenn dem so wäre, müssten wir uns echt überlegen, ob bei uns noch alles in Ordnung ist (lacht). Nein, natürlich gab es Probleme, es gibt immer noch Städte, in denen wir Schwierigkeiten haben, einen Auftritt zu bekommen, so zum Beispiel in Hamburg, wo man uns einfach keine Halle vermieten wollte. Dieses Problem haben wir auch noch in der einen oder anderen weiteren Stadt, aber ich hoffe, dass sich dieses Thema bald erledigt haben wird.

Metal-Heart: Wie sieht es eigentlich momentan mit der deutschen Musikszene aus ? Gibt es da Annäherungen, oder ist es immer noch "hip", sich öffentlich gegen euch zu äußern ?

Stephan: Ich beobachte das alles nur am Rande und kann es daher auch nicht sehr gut beurteilen. Ich lese relativ wenig Pop-Zeitschriften (lacht) und gucke mir auch nicht gerade viel von dem Zeug im Fernsehn an. Ich glaube dennoch, dass manche Leute, die sich damals weit aus dem Fenster gelehnt haben, nun in ihren Äußerungen etwas vorsichtiger geworden sind. Aber ich habe letztens noch ein Video bekommen, auf der eine Sendung vom WDR aufgezeichnet war. "Pop2000" oder so ähnlich hieß die. Ein gewisser Herr Grönemeyer hat da wieder einen Scheiß über uns gelabert, das war wirklich kaum zu fassen. Aber der Mann ist entschuldigt, er hat so viele, krasse familiäre Rückschläge hinter sich, dass man eigentlich nicht nachtragend sein sollte ( na, wenn das mal nicht sarkastisch klingt... -Anm.d.Verf.)

Metal-Heart: Als Vorband für die Tour habt ihr euch die Band Suprasod aus New York ausgesucht (mit ehemaligen Mitgliedern von Merauder, die ja schon 1995 mit den Onkelz tourten). Die neue CD der Amis wird über euer Label vertrieben. Habt ihr vor, euch in Zunkunft um den Bandnachwuchs zu kümmern ?

Stephan: Suprasod ist die erste Band, die wir featuren werden. Wir wollen junge Bands natürlich gerne unterstützen, wenn sie denn reizvoll für uns sind. Wir haben so viel Scheiße mit Plattenfirmen erlebt, dass wir diese Bands gerne davor bewahren möchten.

Metal-Heart: Themenwechsel : Was sagst du eigentlich zu unserer geliebten Eintracht ? Ist doch alles Scheiße, oder...?

Stephan: Ja, dazu fällt mir eigentlich nicht mehr viel ein. Nach dem furiosen Saisonstart ist es natürlich eine herbe Enttäuschung, die Eintracht auf dem vorletzten Tabellenplatz zu sehen. Und ich habe wenig Hoffnung für die Mannschaft, da sie im Moment einfach zu beschissen kickt. Aber man sollte trotzdem den Fußballverein aus der Stadt lieben, in der man aufgewachsen ist, und nicht immer den besten, der gerade auf dem ersten Platz ist (jawohl!!!!! - Anm.d.Verf.)


Mit diesen Worten endete das Gespräch mit Stephan Weidner. Wer mir der Band immer noch seine Probleme hat, sollte sich die 1996 erschienene, offizielle Bandbiographie "Danke Für Nichts" zu Gemüte führen, damit diese ganzen Vorurteile, Verleumdungen und Lügen endlich mal ein Ende finden.

In diesem Sinne .......

Andi Bauer